Rechtliche Hintergründe - Die "Innovationsabgabe" des § 7 GSED

Die Einrichtung von Innovationsbereichen und die konkreten durchzuführenden Maßnahmen werden durch eine Sonderabgabe finanziert, die von sämtlichen Grundeigentümern innerhalb des jeweiligen Gebietes erhoben wird. Ausgehend vom veranschlagten Gesamtbudget des BIDs, inklusive einer Verwaltungspauschale der Stadt Hamburg, eines angemessenen Gewinns für den Aufgabenträger und einer großzügig bemessenen Reserve, werden die  zu leistenden Abgaben im Einzelfall anhand des Einheitswertes jedes betroffenen Grundstücks berechnet. Der Einheitswert, der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) regelmäßig ermittelt wird und z.B. auch bei der Berechnung der Grundsteuer entscheidend ist, ist jedoch kein angemessener Faktor für die Festlegung einer Innovationsabgabe, da er den die Abgabe rechtfertigenden Vorteil, der einem Grundstück durch die Einrichtung des BIDs tatsächlich entsteht oder entstehen soll (§ 7 Abs. 1 GSED), nicht einbezieht. Zudem ist es möglich, dass schon bei der Berechnung der Innovationsabgabe faktisch veraltete Einheitswerte zugrunde gelegt werden oder aber für ein durch Renovierungsmaßnahmen, eine Nutzungsänderung o.Ä. während der (maximal fünfjährigen) Laufzeit aufgewertetes und von den Maßnahmen des Innovationsbereiches fortan stärker profitierendes Grundstück eine im Verhältnis zu niedrige Abgabe geleistet werden muss, denn eine Anpassung oder Aktualisierung der Einheitswerte ist weder vorgesehen noch praktisch umsetzbar. Die Regelung des § 7 GSED verstößt somit gegen den Rechtsgrundsatz der Beitragsgerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG).

 

Auch die sogenannte "Kappungsgrenze", die mit der ersten Änderung im Jahr 2007 in das GSED aufgenommen und 2013 abgeändert wurde, ist in ihrer Konzeption nicht unbedenklich. Durch die Vorschrift des § 7 Abs. 4 GSED werden die Eigentümer besonders großer oder aus anderen Gründen werthaltiger Grundstücke gegenüber denen kleinerer Grundstücke bei der Abgabenberechnung insofern begünstigt, dass der Teil des Einheitswertes eines großen oder hoch bebauten Grundstückes, der den Mittelwert der Einheitswerte aller im Innovationsbereich belegenen Grundstücke (den durchschnittlichen Einheitswert) mindestens um das Zweifache übersteigt, nur anteilig berücksichtigt wird. Praktisch wird den Eigentümern von Grundstücken mit relativ niedrigem Einheitswert so ungeachtet der tatsächlich zu erwartenden Vorteile ein unverhältnismäßig hoher Anteil an den Gesamtkosten des BIDs aufgebürdet.

 

Die Rechtmäßigkeit der Verwendung von Einheitswerten zur Abgabenerhebung ist derzeit noch aus einem weiteren Grund sehr umstritten: Das Verwaltungsverfahren, insbesondere die Höhe des finanziellen Gesamtaufwands der BID-Einrichtung und der dazu erhobenen Abgaben, muss transparent und gerichtlich nachprüfbar sein. Dem steht bei der Verwendung von Grundsteuerdaten das in § 30 der Abgabenordnung (AO) geregelte Steuergeheimnis entgegen, das jede Offenbarung und Verwertung persönlicher steuerlicher Daten grundsätzlich untersagt. Entgegen der im Urteil des OVG Hamburg vom 27.08.2010 (Az. 1 Bf 149/09) vertretenen Rechtsauffassung weigerte sich das zuständige Finanzamt bereits in mehreren Fällen unter Berufung auf das Steuergeheimnis, die maßgeblichen Daten der Einheitswertfeststellung an die Verwaltungsgerichte weiterzugeben bzw. reichte lediglich geschwärzte und zur gerichtlichen Prüfung deshalb nur eingeschränkt geeignete Grundsteuerakten ein (vgl. das Urteil des VG Hamburg v. 13.01.2011, Az. 9 K 1774/09). Damit ist eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Abgabenerhebung, die eine Offenlegung der jeweiligen Einheitswerte erfordert, nach geltendem Recht derzeit unmöglich.


Darüber hinaus sorgte der unpräzise Wortlaut des § 7 GSED a.F., in dem zunächst allgemein von "Abgaben zum Ausgleich des durch den Innovationsbereich entstehenden Vorteils" und anschließend von einer "Beitragspflicht" die Rede war, lange für Diskussionen darüber, ob es sich bei der "Innovationsabgabe" um einen Beitrag oder um eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion handle. Eine Differenzierung ist hier jedoch unabdingbar, da je nach der Art der Abgabe unterschiedliche finanzverfassungsrechtliche Anforderungen daran zu stellen sind. Während Sonderabgaben typischerweise der Finanzierung von Aufgaben bestimmter abgrenzbarer Gruppen dienen und (vergleichbar den zur Deckung des allgemeinen Staatshaushalts erhobenen Steuern) prinzipiell gegenleistungsunabhängig sind, setzen Beiträge, beispielsweise die Rundfunkbeiträge, zwar nicht den tatsächlichen Erhalt, aber jedenfalls das "bevorzugte Angebot" einer Gegenleistung der Verwaltung voraus. Schon daran wird deutlich, dass die BID-Abgabe nicht als Beitrag qualifiziert werden kann. Erstens ist der mit der Schaffung eines Innovationsbereichs verbundene Vorteil einer Stärkung des Wirtschaftsstandorts keine von dem Aufgabenträger oder der Stadt zugesicherte Leistung, sondern lediglich eine wohlwollende Prognose für die Standortentwicklung. Und zweitens entsteht den abgabepflichtigen Grundeigentümern durch die geplanten Maßnahmen - seien es Werbemaßnahmen oder Hausmeisterdienste wie die Grünpflege im Quartier - kein direkter wirtschaftlicher Vorteil. Da sie die Flächen i.d.R. nicht selbst als Einzelhändler, Dienstleister oder Gewerbetreibende nutzen, sondern bloß an solche vermieten, werden sie erst durch eine potenzielle langfristige Wertsteigerung ihres Grundeigentums und dadurch mögliche Mieterhöhungen begünstigt. Die Einrichtung eines BIDs kommt ihnen also - wenn überhaupt - nur mittelbar zugute.

 

Mittlerweile ist die Qualifizierung der Abgabe als Sonderabgabe sowohl in der Rechtsprechung als auch im Gesetz selbst ("Abgabenpflicht") weitgehend anerkannt; das OVG Hamburg teilte diese Auffassung bereits in seinem umfangreichen Urteil vom 27.08.2010 (Az. 1 Bf. 149/09). Grundsätzlich sind außersteuerliche Sonderabgaben aber nur unter bestimmten finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen zulässig. Insbesondere müssen die Abgabenschuldner eine homogene und hinreichend abgrenzbare Gruppe bilden, die aufgrund ihrer besonderen Nähe zum Sachzweck eine spezifische Finanzierungsverantwortung für die zu finanzierende Aufgabe trifft. Diesbezüglich wird argumentiert, die Grundeigentümer träfe wegen der zu erwartenden Wertsteigerung ihrer Grundstücke eine solche Finanzierungsverantwortung; sie wären letztlich durch die Maßnahmen des Innovationsbereichs begünstigt und deshalb für die Abgabe heranzuziehen. Dem ist entgegen zu halten, dass die Grundeigentümer dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Sachzweck jedenfalls nicht evident näher stehen als die ebenfalls homogene Gruppe der im BID tätigen Einzelhändler, Dienstleister und Gewerbetreibenden, die von den wirtschaftsfördernden Maßnahmen unmittelbar profitieren und damit eher eine spezifische Finanzierungsverantwortung für die Einrichtung des Innovationsbereichs tragen. Demnach bürdet die Regelung des § 7 Abs. 1 GSED die Finanzierungsverantwortung für die Einrichtung von Business Improvement Districts der falschen Gruppe auf; die Vorschrift ist mit den Grundsätzen der Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) unvereinbar und folglich unzulässig.